Keine Schlusserbeneinsetzung durch Anordnung gesetzlicher Erbfolge mit Pflichtteilsstrafklausel
Urteil des OLG Hamm vom 11.09.2015, Az.: 15 W 142/15
Die Eheleute haben ein gemeinschaftliches Testament errichtet und in diesem u.a. angeordnet, dass nach dem Tod des Letztversterbenden die gesetzliche Erbfolge eintreten soll. Des Weiteren enthält das Testament noch eine Pflichtteilsstrafklausel. Nach dem Tod des Ehemannes hat die überlebende Ehefrau ein weiteres Testament errichtet, in dem sie Testamentsvollstreckung anordnete. Die mit der TV beschwerte gesetzliche Erbin wehrt sich gegen die Testamentsvollstreckung.
Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des § 2220 Abs. 1 BGB Testamentsvollstreckung angeordnet, da das spätere Testament eine entsprechende Anordnung enthält. Das OLG hält die Beschwerde für unbegründet, denn die 2. letztwillige Anordnung steht nicht im Widerspruch zu dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute. Dem Ehegattentestament lässt sich keine Schlusserbeneinsetzung entnehmen, an welche die Erblasserin gebunden gewesen wäre.
Eine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung fehlt. Auch eine Auslegung des Testaments im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung ist nach den dem Senat möglichen Feststellungen ausgeschlossen. Das Ehegattentestament bietet für eine Auslegung im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung zwei Ansatzpunkte. Dies ist einmal der Verweis auf die Geltung der gesetzlichen Erbfolge nach dem Letztversterbenden und zum anderen die nachfolgende Pflichtteilsstrafklausel. Jede Regelung für sich genommen trägt die Annahme einer Schlusserbeneinsetzung jedoch nicht.
Der Satz „Nach dem Tod des Letztversterbenden soll die gesetzliche Erbfolge eintreten.“ ist nach dem Wortsinn einem alternativen Verständnis zugänglich. Ob eine solche Bestimmung eine Erbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge oder nur eine Anerkennung des gesetzlichen Erbrechts oder nur eine Abstandnahme von der Einsetzung testamentarischer Erben enthält, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Wege der Auslegung bestimmt werden. Allein aus dem Wortlaut heraus lässt sich die insoweit bestehende Unklarheit nicht beseitigen, da auch und gerade die Formulierung „soll … eintreten“ einem alternativen Verständnis zugänglich ist.
Hinsichtlich der so genannten Pflichtteilsstrafklausel ist allgemein anerkannt, dass diese zwar Ansatzpunkt für die Auslegung im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung sein kann, die Pflichtteilsstrafklausel selbst hierfür aber regelmäßig nicht ausreicht, da sich ihr Sinn eben auch in der bloßen Sanktionierung einer Inanspruchnahme des überlebenden Ehegatten erschöpfen kann.
Der Senat hält es im vorliegenden Fall für überwiegend wahrscheinlich, dass die Eheleute in dem gemeinschaftlichen Testament keine Schlusserben einsetzen wollten. Der zweite Satz des Ehegattentestaments enthält demgegenüber einen bloßen Verweis auf die von Gesetzes wegen eintretende Erbfolge, so dass die Erblasserin frei war, eine abweichende letztwillige Verfügung zu treffen.
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