Rückforderung überzahlten Unterhalts bei Rentennachzahlung
BGH, Urteil vom 15.02.1989, Az.: IVb ZR 41/88:
Wird einem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten für einen Zeitraum, für den ihm der andere (z.B. auf Grund eines rechtskräftigen Beschlusses) Unterhalt geleistet hat, nachträglich Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt, so kann er dem anderen nach Treu und Glauben zur Erstattung der erhaltenen Rentennachzahlung in der Höhe verpflichtet sein, in der sich sein Unterhaltsanspruch ermäßigt hätte, wenn die Rente schon während des fraglichen Zeitraums gezahlt worden wäre.
Ein solcher Anspruch lässt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten, der auch das gesetzliche Unterhaltsschuldverhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten beherrscht und es ausschließt, dem Unterhaltsberechtigten die nachträglich gezahlte Rente ungeschmälert für einen Zeitraum zu belassen, in dem der Verpflichtete Unterhalt geleistet hat. Dieser Grundsatz beansprucht in besonderem Maße Geltung, wenn die dem Unterhaltsberechtigten gewährte Rente aus dem Versorgungsausgleich stammt und die Rentennachzahlung demgemäß dem Unterhaltspflichtigen im Wege der Kürzung seiner bereits laufenden Rente abgezogen wird. In diesem Fall „verfehlt“ die Rentennachzahlung nämlich den eigentlich mit ihr verfolgten Zweck, den Unterhaltsbedarf zu sichern. Zugleich führt die Kürzung der Rente des Verpflichteten bei diesem zu einer doppelten Belastung, da er den Unterhalt in der Vergangenheit bereits einmal aus seinen laufenden Renteneinkünften gezahlt hat. Es ist zulässig, dass der Unterhaltspflichtige in diesem Fall einen Teil der dem Unterhaltsberechtigten zugeflossenen Rentennachzahlung beansprucht. Einem solchen Begehren, das seine Rechtsgrundlage in dem Grundsatz von Treu und Glauben findet, steht auch die Rechtskraft eines zuvor ergangenen Unterhaltsbeschlusses nicht entgegen.
Der Unterhaltsschuldner kann in den Fällen, in denen Unterhalt geleistet werden muss, nachdem der Unterhaltsberechtigte einen Rentenantrag gestellt hat, den Unterhalt darlehensweise gewähren. Dadurch wird dem Unterhaltsschuldner ein Rückzahlungsanspruch für den Fall gesichert, dass die Rente rückwirkend bewilligt wird. Dem Unterhaltsberechtigten obliegt es dann nach Treu und Glauben, einen in solcher Weise angebotenen Kredit anzunehmen, jedenfalls dann, wenn der Kredit als zins- und tilgungsfreies Darlehen angeboten wird, verbunden mit der Verpflichtung, im Falle der Zurückweisung des Rentenantrages auf die Rückzahlung zu verzichten. Andernfalls hat der Unterhaltspflichtige bei Eintritt der Rentennachzahlung keinen Unterhaltsrückforderungsanspruch und zwar auch dann nicht, wenn sich bei sofortiger Zahlung der Rente ein niedrigerer Unterhalt errechnet hätte. Es besteht aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Erstattungsanspruch eigener Art auf Erstattung des Teils der Rentennachzahlung, um den sich der Unterhalt bei sofortiger Rentenzahlung ermäßigt hätte.
Die Höhe des Erstattungsanspruchs bemisst sich danach, inwieweit sich der Unterhaltsanspruch ermäßigt hätte, wenn die Rente schon während des fraglichen Zeitraumes gezahlt worden wäre. Diese Art der Bemessung steht nicht in Widerspruch zu § 238 FamFG; denn es geht nicht um eine Abänderung des früheren Unterhaltstitels oder sonst eine Entscheidung über den Unterhaltsanspruch. Vielmehr ist allein der Anspruch auf einen Teil der Rentennachzahlung betroffen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente und die Nachzahlung für den entsprechenden Unterhaltszeitraum einen Abänderungsgrund darstellen und dieser nach §§ 238, 239 FamFG geltend gemacht werden könnte.
Die Erwägungen, mit denen der BGH in Fällen rückwirkender Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente an einen Unterhaltsberechtigten einen Anspruch auf Erstattung der Rentennachzahlung anerkannt hat, haben nicht nur dann Gültigkeit, wenn infolge der Rentenbewilligung die Rente des Unterhaltsverpflichteten rückwirkend gekürzt wird und der Rentenversicherungsträger eine entsprechende Überzahlung feststellt und zurückfordert. Derartige Umstände lassen allerdings einen Ausgleich zwischen den Unterhaltspartnern als besonders dringlich erscheinen. Unverzichtbar für einen Erstattungsanspruch sind sie jedoch nicht. Vielmehr kann dieser auch in anderen Fällen einer nachträglichen Rentengewährung in Betracht kommen. Auch wenn die Rente nicht auf einem Versorgungsausgleich beruht, sondern auf Grund von Anwartschaften gewährt wird, die der Unterhaltsberechtigte durch eigene Erwerbstätigkeit erlangt hat, ist in der Zweckverfehlung ein Umstand zu erblicken, der einen Erstattungsanspruch rechtfertigen kann.
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Schlagwörter: BGH, Familienrecht, Rückforderung, Unterhalt