Bewertung eines Versorgungsanrechts, einer Kommanditeinlage und von Immobilien und Berücksichtigung von Hausrat im Zugewinnausgleich
BGH: Urteil vom 17.11.2010 – XII ZR 170/09
1. Wird die Art und Weise der Bewertung eines Vermögensgegenstands vom Gesetz nicht geregelt, ist es Aufgabe des Tatrichters, im Einzelfall eine geeignete Bewertungsart sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden.
2. Lässt sich die Werthaltigkeit eines in den Zugewinnausgleich fallenden Anrechts bezogen auf den Stichtag nicht hinreichend konkret bestimmen, hat der Tatrichter im Rahmen der gem. § 287 ZPO durchzuführenden Schätzung die ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten zu nutzen.
3. Im Falle einer späteren Liquidation kann der zum maßgeblichen Stichtag bestehende Wert eines Kommanditanteils an einem geschlossenen Immobilienfonds grundsätzlich unter Berücksichtigung des Veräußerungserlöses bestimmt werden.
4. Mit der Aufhebung der Hausratsverordnung und der Einführung des §1568 b BGB zum 1. 9. 2009 sind der gerichtlichen Hausratsverteilung nur noch die im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Haushaltsgegenstände unterworfen. Hausrat, der im Alleineigentum eines Ehegatten steht, bleibt dem güterrechtlichen Ausgleich vorbehalten.
Die Parteien streiten um die Höhe des Zugewinns, namentlich um die Frage, mit welchem Wert der Versorgungsanspruch des Beklagten in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen ist, und um die Bewertung einer Kommanditeinlage im Anfangsvermögen des Beklagten sowie zweier Immobilien im Endvermögen. Die Parteien heirateten 1982. Sie lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. 1997 wurde der Scheidungsantrag zugestellt. Der Beklagte (oder seine Hinterbliebenen) hat aus einem Vertrag mit seinem Arbeitgeber bei Beendigung des Vertragsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze, wegen Berufsunfähigkeit oder Tod Anspruch auf eine Versorgung (Kapitalzahlung), die sich nach der Durchschnittsprovision der letzten drei Kalenderjahre vor dem Ausscheiden berechnet.
Bei dem Versorgungsanrecht des Beklagten handelt es sich um eine unverfallbare Anwartschaft im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, die, da sie auf Auszahlung eines Kapitalbetrages gerichtet ist, beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist (vgl. aber nunmehr § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 VersAusglG).
Die Besonderheit bei der Bewertung der hier streitgegenständlichen Anwartschaft besteht darin, dass das Anrecht zum Stichtag betragsmäßig weder feststand noch feststellbar war und es deshalb an einem ihm zurechenbaren Kapitalwert fehlt. Wird die Art und Weise der Bewertung eines Vermögensgegenstandes vom Gesetz nicht geregelt, ist es Aufgabe des Tatrichters, im Einzelfall eine geeignete Bewertungsart sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden. In der Sache handelt es sich um eine Schätzung im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO. Dies entbindet das Gericht indes nicht davon, in seiner Entscheidung die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise anzugeben (Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09). Diese tatrichterliche Bewertung kann nach allgemeinen Grundsätzen nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Ist eine erst in der Zukunft fällig werdende Forderung zu bewerten, ist zu beachten, dass sie einen geringeren wirtschaftlichen Wert als eine bereits fällige hat. Ebenso muß die Ungewissheit, ob der im Anrecht verkörperte Vermögenswert dem Begünstigten oder seinen Rechtsnachfolgern zufallen wird, bei der Bewertung des Anrechts berücksichtigt werden. Das hier zu beurteilende Anrecht zeichnet sich indessen dadurch aus, dass sich seine Werthaltigkeit erst durch die – am Stichtag nicht absehbare -weitere Entwicklung der Jahresprovisionen konkretisiert. Deshalb stellen die für den Stichtag maßgeblichen Durchschnittsprovisionen, auf die das Berufungsgericht hier zurückgegriffen hat, für die Höhe des später auszuzahlenden Kapitalbetrages keine verlässliche Größe dar. Zwar ist gemäß § 1376 Abs. 2 BGB bei der Berechnung der Wert zugrunde zu legen, den das bei Beendigung des Güterstandes vorhandene Vermögen in diesem Zeitpunkt hat. Hier geht es jedoch gerade um die Bewertung eines zum Zeitpunkt des Stichtages der Höhe nach nicht bestimmbaren Rechts. In Fallkonstellationen dieser Art, in denen völlig ungewiss ist, welche Provisionen in dem – dem Renteneintritt vorausgehenden – Drei-Jahres-Zeitraum zu erwarten sind, stellt sich die Frage, ob das Anrecht der Höhe nach überhaupt unverfallbar und damit im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist. Würde der Begünstigte in den letzten drei Jahren vor seinem Austritt keine Provisionen erzielen, wäre sein Versorgungsanrecht wertlos. Dies spräche gegen eine Unverfallbarkeit des Anrechts. Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass der von dem Anrecht Begünstigte drei Jahre lang ohne jegliche Einnahmen für das Unternehmen tätig ist. Von daher verbleibt dem Begünstigten jedenfalls ein Mindestwert, der im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist.
Gegen die Berücksichtigung einer geschätzten Steuerlast ist dem Grunde nach nichts zu erinnern. Zwar ist der Einwand der Revision zutreffend, wonach am Stichtag keine Steuerlasten (hinsichtlich des noch nicht fälligen Versorgungskapitals) angefallen sind. Darum geht es bei der Frage der Bewertung hingegen nicht. Maßgeblich ist, welchen Wert das Anrecht am Stichtag für den Beklagten hatte. Bei der Wertermittlung darf deshalb nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte bei einer späteren Auszahlung den Betrag auch zu versteuern hat. Es handelt sich dabei um eine latente Steuerlast. Sie ist, jedenfalls soweit es sich wie hier um Ertragssteuern handelt, wertmindernd zu berücksichtigen.
Dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist auch der vom Berufungsgericht gebilligte Ansatz der Sachverständigen, dem Umstand, dass dem Beklagten der Kapitalbetrag am Stichtag noch nicht zur Verfügung stand, durch eine entsprechende Abzinsung unter Zugrundelegung der Heubeck-Richttafeln (2005 G, Männer Jahrgang 1948) als biometrische Rechnungsgrundlage Rechnung zu tragen.
Dass das Berufungsgericht für die Beteiligung des Beklagten an dem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Kommanditeinlage einen Wert von 30.000 DM in das Anfangsvermögen eingestellt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Immobilienfonds war 1984 liquidiert worden. Der Beklagte hat den Nennbetrag des Anschaffungspreises zurückerhalten. Wenn das Berufungsgericht den Wert auf den Betrag schätzt, der dem Anschaffungspreis des Kommanditanteils und gleichzeitig dem Betrag entspricht, den der Beklagte infolge derLiquidation ausgezahlt erhalten hat, liegt dies vor allem unter Berücksichtigung sämtlicher Unwägbarkeiten, die mit einer Bewertung eines solchen Anteils einhergehen, noch im tatrichterlichen Ermessen.
Ebenso wenig ist es revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für das Anwesen per Stichtag nur einen Wert von 850.000 DM in die Zugewinnausgleichsberechnung eingestellt hat. Es ist Sache des – sachverständig beratenen – Tatrichters, die zur Ermittlung des „vollen, wirklichen“ Wertes der Immobilie geeignete Bewertungsmethode auszuwählen und sachgerecht anzuwenden. Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder ob sie sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dabei muss der für die Berechnung des Zugewinns maßgebende wirkliche Wert eines Grundstücks nicht stets mit dem hypothetischen Verkaufswert am Stichtag übereinstimmen. Vielmehr kann der wirkliche Wert höher sein als der aktuelle Veräußerungswert. Insbesondere ist bei der Bewertung ein vorübergehender Preisrückgang nicht zu berücksichtigen, wenn er bei nüchterner Beurteilung schon am Stichtag als vorübergehend erkennbar war. Eine strengere Orientierung an dem tatsächlich erzielbaren Verkaufserlös ist nur dann geboten, wenn das Grundstück zur Veräußerung bestimmt ist oder als Folge des Zugewinnausgleichs veräußert werden muss. Dies war hier ersichtlich der Fall, da die Klägerin nach den den Miteigentumsanteil des Beklagten erst erworben hatte, nachdem der Versuch einer Veräußerung an Dritte gescheitert war.
Soweit das Berufungsgericht die bereits bei Heirat im Alleineigentum des Beklagten stehenden Einrichtungsgegenstände in den Zugewinnausgleich einbezogen hat, ist hiergegen nichts zu erinnern. Mit der Aufhebung der Hausratsverordnung und der Einführung des §1586 b BGB zum 1. September 2009 durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) sind der gerichtlichen Hausratsverteilung nur noch die im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Haushaltsgegenstände unterworfen; Hausrat, der im Alleineigentum eines Ehegatten steht, bleibt dem güterrechtlichen Ausgleich vorbehalten (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Drucks. 16/10798 S. 23). §1586 b BGB ist mangels Übergangsregelung auch in bereits vor dem 1. 9. 2009 anhängig gemachten Verfahren anwendbar.
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