Unterhalt ab Volljährigkeit – Weitergeltung eines Titels

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OLG Hamm, Beschluß vom 7. 11. 2006 – 2 WF 204/06

Die volljährig gewordenen Kinder begehren von ihrem leiblichen Vater im Wege der Leistungsklage Kindesunterhalt für den Zeitraum ab Volljährigkeit. Bereits durch gerichtlichen Vergleich war der Kindesunterhalt – zeitlich unbegrenzt – tituliert worden.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg, da die richtige Klageart nicht die Leistungsklage, sondern die Abänderungsklage gem. § 323 ZPO (neu: §§ 238, 239 FamFG) gewesen wäre, denn der Unterhalt ist bereits durch Vergleich tituliert. Der Fortgeltung des Titels steht vor allem nicht entgegen, dass die Kinder nach Abschluss des Vergleichs volljährig geworden sind. Sie sind aus dem Vergleich ihre Mutter unmittelbar Berechtigte und können den Titel auf sich umschreiben lassen (§ 727 I ZPO).

Der Vergleich hat durch den Eintritt der Volljährigkeit der Kinder seine Wirksamkeit nicht verloren. Zwar erlischt mit dem Eintritt der Volljährigkeit das Sorgerecht (§ 1626 I BGB) und Betreuungsunterhalt wird nicht mehr geschuldet. Wegen des Wegfalls der Betreuungsverpflichtung wird der bisher den Betreuungsunterhalt sicherstellende Elternteil ebenfalls barunterhaltspflichtig mit der Folge, dass sich der Barunterhalt anteilig nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen beider Elternteile bemisst (§ 1606 III 1 BGB). Darüber hinaus trifft den Volljährigen die Obliegenheit zur eigenverantwortlichen Sicherung seines Lebensunterhalts stärker als das minderjährige Kind. Die Besonderheiten, die für den Unterhalt minderjähriger Kinder gelten, rechtfertigen es jedoch nicht, den Anspruch auf Volljährigenunterhalt als eigenständigen und nicht mehr als Fortsetzung des bisherigen (während der Minderjährigkeit gegebenen) Anspruchs aufzufassen, denn die nach § 1601 BGB bestehende Unterhaltspflicht zwischen Eltern und ihren Kindern ist nicht an feste Altersgrenzen gebunden. Sie besteht – unter den allgemeinen Voraussetzungen der Bedürftigkeit des Kindes einerseits und der Leistungsfähigkeit des Elternteils andererseits – lebenslang fort.

§ 798a ZPO bestimmt, dass ein nach § 1612a BGB während der Minderjährigkeit des Unterhaltsgläubigers erwirkter dynamischer Titel auf Unterhalt für die Zeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit in der Weise fortwirkt, dass der Unterhaltsschuldner dem titulierten Anspruch nicht (z.B. im Wege der Vollstreckungsgegenklage) entgegenhalten kann, dass die für Schaffung des dynamischen Titels erforderliche Minderjährigkeit nicht mehr besteht. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die auf nicht dynamisch titulierte Ansprüche über konkret bezifferte Unterhaltsbeträge nicht analog anwendbar ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass nur nach § 1612a BGB dynamisierte Unterhaltstitel über den Eintritt der Volljährigkeit des Titelgläubigers hinaus Gültigkeit haben können. Dabei würde verkannt, dass der Sinn und Zweck § 798a ZPO darin besteht, der Besonderheit Rechnung zu tragen, dass die Erstellung eines dynamischen Unterhaltstitels nach § 1612a BGB nur für minderjährige, nicht aber für volljährige Kinder vorgesehen ist. Eine dem § 1612a BGB entsprechende Begrenzung auf die Zeit der Minderjährigkeit für nicht dynamische Unterhaltstitel von Kindern ist im Gesetz dagegen nicht vorgesehen. Deshalb besteht für nicht dynamische Unterhaltstitel kein Bedürfnis zur Schaffung einer gesetzliche Regelung, die die Vollstreckung daraus über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus zulässt. Die Zulässigkeit der Vollstreckung über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus ergibt sich in diesem Falle bereits aus der Identität der den Unterhaltsanspruch begründenden Anspruchsgrundlage des § 1601 BGB.

Eine Vollstreckung aus dem während der Minderjährigkeit des Unterhaltsgläubigers geschaffenen Titels scheidet nur dann nach Eintritt der Volljährigkeit aus, wenn der titulierte Unterhaltsanspruch in der betreffenden Jugendamtsurkunde ausdrücklich auf die Zeit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Unterhaltsgläubigers begrenzt war.

Zwar indiziert eine Veränderung der Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle (wozu auch der Wechsel der Altersstufe gehört) in der Regel die Notwendigkeit der Anpassung des Unterhaltstitels an die geänderten Verhältnisse, weil damit gleichzeitig eine Veränderung der Einkommensverhältnisse oder der Lebenshaltungskosten ausgedrückt wird. Es ist auch anerkannt, dass es keine feste Grenze gibt, ab der eine Änderung des Unterhaltsanspruchs zu einer Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem gerichtlichen Vergleich führt. Das Verlangen eines höheren, als des titulierten Unterhalts muss dann aber im Wege der Abänderungs-, und nicht im Wege einer Leistungsklage geltend gemacht werden.

Hinweis: siehe auch den Beitrag zur Entscheidung des OLG Hamm v. 23.12.2015 – 2 WF 198/15

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