Mangelhaftes Grundstück bei fehlender Wasserversorgung

28Mai14

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8.4.2011 – Az. V ZR 185/10

Mit notariellem Vertrag kauften die Kläger von dem Beklagten ein Grundstück im Außenbereich, welches nicht an die öffentliche Wasserversorgung angebunden ist. Im Zeitpunkt des Verkaufs erfolgte die Wasserversorgung des Grundstücks über ein Nachbargrundstück. Dessen Eigentümer hatte sich jedoch später mittels einer Privatleitung an die Trinkwasserversorgung einer mehrere Kilometer entfernten Stadt angeschlossen und den Beklagten daraufhin aufgefordert, sich um eine Eigenwasserversorgung zu kümmern. Ein Vertrag, mit dem der Eigentümer des Nachbargrundstücks den Klägern die Nutzung ihrer Leitungen und Anlagen zunächst gestattete, wurde von diesem gekündigt. Die zuständige Gemeinde lehnte einen Anschluss des Grundstücks der Kläger an das öffentliche Leitungsnetz ab. Das Nachbargrundstück wurde zwischenzeitlich an einen Dritten verkauft.

Gestützt auf die Behauptung, sie hätten erstmals nach Abschluss des Kaufvertrages erfahren, dass das Grundstück über keine eigene Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (nachfolgend einheitlich: Wasserversorgung) verfüge, haben die Kläger Schadensersatz in Höhe von 270.246,86 € sowie die Feststellung verlangt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtlichen weiteren Schaden aus dem Abschluss des Kaufvertrages mit ihm zu ersetzen.

Das Landgericht hat den Beklagten wegen der nicht gesicherten Wasserversorgung zu Schadensersatz in Höhe von 253.089,48 € verurteilt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Bei dem Zahlungsbetrag handelt es sich um die von dem Landgericht ermittelte Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Verkehrswert des Grundstücks ohne gesicherte Wasserversorgung.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Schadensersatzpflicht auf 51.129,19 € reduziert. Die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht hat es auf Schäden beschränkt, welche aus der unterlassenen Aufklärung über die fehlende Sicherheit der Wasserversorgung des Grundstücks stehen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Anschlussrevision des Beklagten hat die vollständige Klageabweisung zum Ziel.

Der Bundesgerichtshof hat in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung ent-schieden, dass ein Fehler im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB aF vorliegt, wenn der Zustand der Kaufsache von demjenigen abweicht, den die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und diese Abweichung den Wert der Kaufsache oder ihre Eignung zum vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch herabsetzt oder beseitigt. Der Fehler kann dabei außer in Eigenschaften der Sache selbst auch in tatsächlichen, rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Umwelt liegen, die nach der Verkehrsauffassung Wert und Brauchbarkeit der Kaufsache unmittelbar beeinflussen. Gehört ein Wasseranschluss zu der vereinbarten Sollbeschaffenheit eines Grundstücks, kann ein Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB aF deshalb nicht nur darin bestehen, dass ein solcher Anschluss nach der objektiven Beschaffenheit des Grundstücks aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unmöglich ist, sondern auch darin, dass der an eine benachbarte Versorgungsanlage vorgesehene Anschluss aus Rechtsgründen nicht durchsetzbar ist (Senat, Urteil vom 6. Oktober 1978 – V ZR 28/76, WM 1979, 101, 102).

Danach handelt es sich bei der ungesicherten Wasserversorgung um einen Fehler des Grundstücks. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Grundstück von den Klägern zu Wohnzwecken und damit erkennbar in der Erwartung gekauft, dass die Wasserversorgung des darauf befindlichen Gebäudes gesichert war. Diese Erwartung war auch deshalb berechtigt, weil das Gebäude nach seinem äußeren Erscheinungsbild seit Jahrzehnten als Wohnhaus genutzt worden war und der Beklagte zuletzt selbst darin gewohnt hatte. Im Hinblick auf die abgelegene Lage des Grundstücks konnten die Kläger zwar nicht damit rechnen, dass das Grundstück an das öffentliche Wasser- und Abwassersystem angeschlossen war. Solange sie von dem Beklagten keine abweichenden Informationen erhielten, durften sie aber annehmen, dass die bestehende Wasserversorgung in der Weise gesichert war, dass sie nicht ohne ihre Zustimmung von Dritten unterbrochen werden konnte. Soweit die Versorgung nicht durch eigene Leitungen und Anlagen erfolgte, sondern die Mitbenutzung von Anlagen des Nachbarn erforderte, entsprach es mithin der Sollbeschaffenheit des Grundstücks, dass der jeweilige Eigentümer berechtigt ist, diese Anlagen zu nutzen.

Ohne Bedeutung ist, dass die Parteien die fortbestehende Zustimmung des be-nachbarten Grundstückseigentümers zur Mitbenutzung von deren Wasserversor-gungsanlagen nicht ausdrücklich als Teil der Sollbeschaffenheit des Grundstücks vorausgesetzt haben. Es genügt, wenn die Parteien, stillschweigend von einer ir-gendwie, ggf. also auch über den Anschluss an eine Anlage des Nachbarn, besteh-enden Wasserversorgung des Grundstücks ausgehen. Ist diese nicht gesichert, weil das Grundstück über keine eigene Versorgung verfügt und die Mitnutzung der Anlage des Nachbarn in dessen Belieben steht, erweist sich das Grundstück wegen des Fehlens der nach dem Vertrag vorausgesetzten Wasserversorgung als mangelhaft.

Die Verurteilung des Beklagten, Schadensersatz nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo wegen unterbliebener Aufklärung über die ungesicherte Wasserversor-gung zu leisten, hingegen hat keinen Bestand, weil solche Ansprüche bei lediglich fahrlässiger Verletzung einer Offenbarungspflicht in Bezug auf die Beschaffenheit des Kaufgegenstands – sowohl im Hinblick auf Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB aF als auch auf zusicherungsfähige Eigenschaften im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB aF – ausgeschlossen sind; die Vorschriften der §§ 459 ff. BGB aF bilden insoweit eine abschließende Sonderregelung. Abgesehen davon, dass es sich bei der fehlenden Sicherheit der Wasserversorgung, wie dargelegt, um einen Sachmangel des Grund-stücks handelt, ist eine Haftung des Beklagten wegen nur fahrlässiger Verletzung von Aufklärungspflichten auch deshalb ausgeschlossen, weil das Vorhandensein einer gesicherten Wasserversorgung ohne Zweifel eine zusicherungsfähige Eigenschaft ist.

Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Da es sich um einen Sachmangel des Grundstücks handelt und die Parteien die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen haben, kommt eine Haftung des Beklagten nur bei vorsätzlichem Handeln, nämlich unter den Voraussetzungen von § 463 Satz 2 BGB aF in Betracht. Feststellungen dazu, ob der Beklagte die gebotene Aufklärung über die ungesicherte Wasserversorgung vorsätzlich unterlassen hat, sind von dem Berufungsgericht bislang nicht getroffen worden; dies wird nachzuholen sein.

Sollte den Klägern ein Schadensersatzanspruch zustehen und verlangen sie deshalb Ersatz des Erfüllungsinteresses, bemisst sich der Anspruch nach dem Wertunter-schied zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache. Diese Differenz kann in der Regel nach den Kosten für eine Herrichtung des verkauften Grundstücks in einen mangelfreien Zustand berechnet werden. Der mangelfreie Zustand setzt hier allerdings keinen Anschluss an das öffentliche Leitungsnetz voraus, da ein solcher nach der Beschaffenheitsvereinbarung nicht erwartet werden konnte. Die Wertdifferenz lässt sich vereinfacht auch nach dem Betrag bemessen, zu dem der derzeitige Nachbar bereit wäre, den Klägern ein dinglich gesichertes Recht auf Anschluss an seine privaten Leitungen einzuräumen, sofern dieser nicht höher ist als die Kosten für die Herstellung einer eigenen Versorgung.

Ist eine solche Berechnung nicht möglich, muss bei der Ermittlung des Wertunter-schieds zwischen der Sache in mangelfreiem und in mangelhaftem Zustand das ur-sprüngliche Verhältnis von Kaufpreis zu Verkehrswert beibehalten werden. Die zu ersetzende Wertdifferenz ist wie bei der Minderung zu berechnen, d.h. sie muss gegenüber dem vereinbarten Kaufpreis in dem gleichen Verhältnis stehen wie der Verkehrswert des Grundstücks ohne gesicherte Wasserversorgung zu dessen Ver-kehrswert in mangelfreiem Zustand. Bei dem Vergleich zwischen dem mangelfreien und dem mangelhaften Zustand ist nur auf den Mangel abzustellen, auf den der Schadensersatzanspruch gestützt worden ist; sonstige Mängel bleiben außer Be-tracht.

Sollte der Beklagte vorsätzlich gehandelt haben und sollten die Kläger deshalb wegen vorsätzlicher culpa in contrahendo den Ersatz des Vertrauensschadens liqui-dieren, sind sie so zu stellen, wie sie bei Offenbarung des Umstands stünden, dass die Wasserversorgung nicht gesichert ist. Halten sie an dem Vertrag fest, sind sie so zu behandeln, als wäre es ihnen bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Ihr Schaden ist danach der Be-trag, um den sie das Grundstück zu teuer erworben haben. Da es dabei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens und nicht um die Anpassung des Vertrages geht, brauchen die Kläger nicht nachzuweisen, dass sich der Beklagte auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte. Wird der niedrigere Preis nach dem Wertunterschied zwischen dem Grundstück in man-gelfreiem und in mangelhaftem Zustand berechnet, ist wiederum darauf zu achten, dass das Verhältnis von Kaufpreis zu Verkehrswert erhalten bleibt.



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