Zuständigkeit für Klage auf Ausgleichszah-lung nach EU-Fluggastrechteverordnung gegen ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz ausshalb der EU
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2011 – X ZR 71/10
Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen, das seinen Haupt-sitz in den USA hat, u. a. eine Ausgleichzahlung in Höhe von jeweils 600 € nach Artikel 5 und 7 der EU-Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91). Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt am Main in die USA. Wegen eines Defekts des Flugzeugs wurde der Flug jedoch annulliert und die Kläger konnten erst am nächsten Tag in die USA fliegen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich für international nicht zuständig gehalten hat. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hingegen bejaht und das beklagte Luftfahrtunternehmen zur Ausgleichszahlung nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Berufungsurteil hat das beklagte Luftfahrtunternehmen Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat die Revision in der Hauptsache zurückgewiesen.
Wenn ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union gestützt auf die EU-Fluggastrechteverordnung auf Ausgleichszahlung in Anspruch genommen wird, sind bei einem geplanten Abflug aus Deutschland die hiesigen Gerichte zu-ständig. Die internationale Zuständigkeit ist in diesem Fall zwar regelmäßig nicht nach Unionsrecht und daher nicht nach der EU-Zuständigkeitsverordnung Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zustän-digkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu bestimmen. Entscheidend sind vielmehr die Zuständigkeitsregeln der Zivilprozessordnung (ZPO). In Fällen, in denen – wie hier – der vertragsgemäße Abflug von einem Flughafen in Deutschland erfolgen sollte, besteht für den An-spruch auf Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung an diesem Ort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des § 29 Absatz 1 ZPO. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung ist nach Unionsrecht ausgestaltet und damit unab-hängig von der der Beförderung zugrunde liegenden vertraglichen Beziehung. Daher ist die Frage, wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, anhand unionsrechtlicher und nicht nach vertragsrechtlichen Maßstäben zu beantworten. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes ist deshalb der Rechtsgedanke von Artikel 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spie-gelstrich der EU-Zuständigkeitsverordnung heranzuziehen. Danach kann die Klage auf Ausgleichszahlung gestützt auf die EU-Fluggastrechteverordnung am Ort der ver-tragsgemäßen Leistungserbringung und damit auch am Abflugort erhoben werden.
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