Wirksamkeit einer nur noch als Fotokopie vorhandenen letztwilligen Verfügung

30Jan17

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2016 – Az. I-3 Wx 250/15

Der Erblasser war Witwer. Aus der Ehe mit seiner vorverstorbenen Ehefrau gingen drei Töchter hervor. Im Jahr 1980 hatte der Erblasser ein notariell beurkundetes Testament errichtet, dessen Regelungen im Ergebnis vorsahen, dass im Falle des Vorversterbens seiner Ehefrau nur eine seiner Töchter seine alleinige Erbin sein sollte. Nach dem Tod des Erblassers wurden Fotokopien eines vollständig handschriftlichen Schriftstücks zur Nachlassakte gereicht, das folgenden Wortlaut hatte:

„Testamentliche Verfügung des Unterzeichners über sein Vermögen. (Die testamentliche Verfügung Ur.Nr. 2160/1980 D vom 08.12.80 tritt hiermit außer Kraft)

Nach meinem Ableben beerbt mich meine Frau. Nach dem Tode meiner Frau (nach meinem Tode) soll über unser gemeinsames Vermögen wie folgt verfügt werden: Nach Vollendung des 18. Lebensjahres sollen meine 9 Enkelkinder (….) zu gleichen Teilen dann meine Frau beerben.

(Ort, Datum sowie Unterschrift mit Vor- und Nachname des Erblassers)“

Die verstorbene Ehefrau des Erblassers hinterließ ein eigenhändiges Testament des Inhalts:

„Testamentliche Verfügung

Nach meinem Ableben beerbt mich mein Mann.

Nach dem Tode meines Mannes und nach meinem Tod soll über unser gemeinsames Vermögen wie folgt verfügt werden:

Nach Vollendung des 18. Lebensjahres sollen uns meine 9 Enkelkinder …. zu gleichen Teilen beerben.

(Ort, Datum sowie Unterschrift mit Vor-, Nach- und Geburtsnamen der Ehefrau)“

Nach dem Tode der Ehefrau wurde ein Erbschein nach dieser erteilt, der den Erblasser als Vorerben und die neun Enkel als Nacherben auswies. Im Jahr 2009 wandte sich der Erblasser wegen der Regelung seines Nachlasses an einen befreundeten Rechtsanwalt. Nachdem er, als seine Ehefrau verstorben war, zunächst geplant hatte, in ein betreutes Wohnen umzuziehen, erlitt der Erblasser im Sommer 2011 einen Schlaganfall und bedurfte nach dem folgenden Krankenhausaufenthalt bis zu seinem Ableben einer Unterbringung in einem Heim.

Nach dem Tod des Erblassers stellte seine älteste Tochter zunächst einen auf gesetzliche Erbfolge gestützten Erbscheinantrag, in dem sie angab, Verfügungen von Todes wegen habe ihr Vater nicht hinterlassen. Später reichte sie eine der zuvor wiedergegebenen Fotokopien zur Testamentsakte und nahm den ersten Antrag zurück.

Einer der Enkel hat einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die neun Enkel des Erblassers als Miterben zu gleichen Teilen ausweist.

Nach Durchführung von Ermittlungen hat das Nachlassgericht ausgesprochen, die zur Erteilung des von dem Enkel des Erblassers beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen würden für festgestellt erachtet, die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses werde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zu dessen Rechtskraft zurückgestellt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Tochter des Erblassers.

In der Sache blieb die Beschwerde ohne Erfolg.

Der Erbscheinsantrag des Enkels hat Erfolg, da den allein noch vorhandenen Fotokopien ein wirksames Testament des Erblassers mit dem in den Fotokopien wiedergegebenen Inhalt zugrunde liegt.

Der Erblasser hat das Schriftstück, von dem die Fotokopien gezogen wurden, mit Testierwillen errichtet. Die Errichtungshandlung steht fest.

Fest steht, dass der Anwalt auf dem Postwege ein handschriftliches Schreiben des Erblassers erhielt, in dem es hieß: „Herrn Dr. K., anbei Kopie meines handschriftlichen Testamentes zu Ihrer gef. persönl. Verwendung. Ich beabsichtige, dieses Testament ggf. noch abzuändern in Abstimmung mit meinen 3 Töchtern.“ Daraus ergibt sich zwingend, dass der Erblasser das fotokopierte Schriftstück als seine damals gültige letztwillige Verfügung ansah.

Das fotokopierte Schriftstück genügt den Anforderungen an eigenhändige Testamente gemäß § 2247 Abs. 1 , Abs. 2 und Abs. 3  Satz 1 BGB.

Anhand der vorhandenen Fotokopien lässt sich der Gesamtinhalt des vom Erblasser errichteten Testaments zuverlässig ermitteln. Danach steht zum einen fest, dass er sein notariell beurkundetes Testament von 1980 testamentarisch widerrufen hat, § 2254 BGB. Darüber hinaus ergibt die Auslegung des Testaments, dass im Falle des Vorversterbens seiner Ehefrau die neun Enkel zu gleichen Anteilen als Ersatzerben des Erblassers berufen sein sollten. Sowohl im Testament des Erblassers als auch im Testament der Ehefrau kommt deutlich zum Ausdruck, dass beiden Eheleuten vor Augen stand, dass nach dem Tode des Erstversterbenden von ihnen zunächst der überlebende Teil, bei dessen Tod aber hinsichtlich der in seiner Person sozusagen vereinigten Vermögenswerte der Eheleute die Enkel erben sollten. Das bedeutet für den – den Testamentstexten nach nicht ausdrücklich geregelten – Fall des Letztversterbens des testierenden Ehegatten, dass seine unmittelbaren Rechtsnachfolger die Enkel sein sollten. Dem entspricht es, sie als vom Testierenden eingesetzte Ersatzerben anzusehen. Das Problem der Entscheidung zwischen Vor- und Nacherbschaft oder Voll- und Schlusserbfolge stellt sich bei der hier gegebenen Konstellation nicht mehr.

Das Testament ist vom Erblasser auch nicht nach § 2255 Satz 1 BGB durch Vernichtung widerrufen worden. Hierbei kommt es letztlich nicht maßgeblich darauf an, ob und in welchem Umfang den Bekundungen der vom Nachlassgericht vernommenen Zeugen zu Äußerungen des Erblassers über letztwillige Verfügungen in der Zeit vor seinem Tod gefolgt werden kann, und auch nicht darauf, ob etwaige Erklärungen der beiden Schwestern dieser gegenüber, ihnen seien vom Erblasser errichtete letztwillige Verfügungen unbekannt, zutreffend waren. Entscheidend ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf folgendes:

Der Gesichtspunkt, dass die Anforderungen an den Nachweis einer Vernichtungshandlung nicht zu hoch angesetzt werden dürfen, falls sich das später verschwundene Original bis zuletzt im „Gewahrsam“ des Erblassers befand und Anzeichen für Handlungen eines Dritten fehlen, lässt sich im gegebenen Fall nicht heranziehen, weil der Erblasser in den Jahren vor seinem Tod nicht in einer gegenüber Dritten weitestgehend geschützten Sphäre wie einer privaten Wohnung lebte, sondern zunächst in einer Seniorenresidenz, hernach in einem Pflegeheim.

Ferner steht fest, dass der Erblasser zur Zeit seines Kontaktes mit der Anwaltskanzlei seine handschriftliche letztwillige Verfügung gerade noch nicht als obsolet erachtete. Zwar hatte er sich ersichtlich die Frage eines Änderungsbedarfs vorgelegt, war sich aber zum einen über die Notwendigkeit einer Änderung noch nicht sicher („ggf.“), und vor allem wollte er eine Änderung seiner Verfügungen von Todes wegen nicht sozusagen im Alleingang, sondern ausdrücklich „in Abstimmung mit meinen 3 Töchtern“ vornehmen.

Bei dieser Lage hätte es Indizien dafür bedurft, dass sich die Motivationslage des Erblassers danach relevant geändert hätte. Solche Anhaltspunkte fehlten aber und wurden auch von der Beschwerdeführerin (Tochter) nicht aufgezeigt. Das Testament ist erkennbar von dem Gedanken getragen, das vom Erblasser und seiner Ehefrau angesammelte Vermögen solle im Erbgang die Folgegeneration überspringen und unmittelbar den Enkeln zugutekommen. Dass sich in diesen beiden entscheidenden Hinsichten – Übergehen einer Generation, Gleichheit der Quoten – später in der Wahrnehmung des Erblassers, in seiner Willensbildung oder gar in seiner Willensbetätigung etwas geändert hätte, ist nicht zu erkennen. Bloße Spekulationen hat das Gericht nicht gelten lassen.



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