Nicht verbotene Abwerbung trotzdem verboten!

15Feb10

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat eine für Vertriebspartner wichtige Entscheidung gefällt (Beschluss vom 10. 3. 2009 – 4 U 168/08): Demnach ist wettbewerbswidrig im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wenn ein aus einem Vertriebssystem ausgeschiedener oder ausscheidender Partner einen (ehemaligen) anderen Partner ohne dessen vorheriger Einwilligung per E-Mail abwerben möchte.

Scheidet der Vertriebspartner eines MLM-Unternehmens bei diesem aus, unterliegt er, wenn nichts anderes wirksam vereinbart ist, grundsätzlich keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Das heißt, er darf grundsätzlich Vertriebspartner seines bisherigen Unternehmens zugunsten eines neuen abwerben, solange dies nicht unter Einsatz unlauterer Mittel geschieht. Gerade im MLM-Bereich ist ein solches Abwerben auch durchaus üblich, da dem ausgeschiedenen Vertriebspartner häufig eine Vielzahl von Kontaktdaten von anderen Vertriebspartnern aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit bekannt sind, insbesondere aus seiner Downline. Ohne nennenswerten Aufwand kann dann per E‑Mail eine große Anzahl von Vertriebspartnern angesprochen werden, um sie von den Vorzügen eines Konkurrenzunternehmens zu überzeugen, mit dem Hintergrund, sie abzuwerben. Es kommt nicht darauf an, ob der „Abwerber“ zum Zeitpunkt der E-Mail im Rahmen eines Vertriebs für ein bestimmtes Unternehmen tätig war. Es reicht aus, dass er mit der Mail einen möglichen Vertriebspartner für eine beabsichtigte eigene Tätigkeit im Rahmen eines Strukturvertriebs werben will.

Hierbei tappt man dann aber schnell in eine Falle, die man auf den ersten Blick so nicht sieht, wie der Beschluß des OLG Karlsruhe zeigt. Denn nach § 7 Abs. 1 UWG sind geschäftliche Handlungen, die einen Marktteilnehmer unzumutbar belästigen, unzulässig. Nach § 7 Abs.  2 Nr.  3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Eine solche vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten wird in der Praxis vom Versender der E-Mail kaum darstellbar sein. So hat dann auch das OLG entschieden, dass der Abwerbeversuch per E-Mail unzulässig sei, nicht wegen des Abwerbeversuchs an sich, sondern wegen unzumutbarer Belästigung. Die Abwerbung per E-Mail stelle eine geschäftliche Handlung dar, weil sie zum Zwecke eines neuen Strukturaufbaues erfolge. Und dies im entschiedenen Fall, obwohl der Abwerbende sich noch gar keinem neuen Unternehmen angeschlossen hatte! Denn er stehe trotzdem in einem Wettbewerbsverhältnis zu seinem (künftig ehemaligen) Unternehmen. Dieses könne daher einen Unterlassungsanspruch geltend machen.

So wurde das Abwerben, obwohl an sich zulässig, wegen unzumutbarer Belästigung doch noch bei Androhung des üblichen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung gewissermaßen auf Umwegen verboten. Jedem MLM-Unternehmen und „Abwerber“ sollte dieses Urteil daher bekannt sein.



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