Sittenwidrigkeit eines Strukturvertriebssystems
Gericht: OLG Frankfurt
Datum: 02.März 2000
Az.: 3 U 40/99
Orientierungssätze:
- Ein Strukturvertriebssystem kann zwar ein sittenwidriges Schneeballsystem darstellen, wenn der Käufer gegen Entgelt eine Ware erhält, deren Bezahlung ihm bei Werbung einer bestimmten Zahl anderer Kunden, die ihrerseits unter denselben Voraussetzungen in das System eingegliedert werden, ganz oder teilweise erlassen wird. Die dem System zugrundeliegende mathematische Gesetzmäßigkeit, darstellbar als geometrische Reihe, lässt den Abnehmerkreis nämlich lawinenartig anschwellen, mach die Kundenwerbung somit progressiv,. Vertriebssysteme, die darauf angelegt sind, dass die meisten Teilnehmer deswegen, weil sie die Bedingungen der Verengung des Marktes nicht erfüllen können, ihren Einsatz verlieren sind nach BGB § 138 Abs. 1 nichtig (Anschluss BGH, 1997-04-22, XI ZR 191/96, MDR 1997, 720).
- Im Unterschied dazu ist ein Strukturvertriebssystem jedenfalls dann nicht als sittenwidrig zu qualifizieren, wenn ein in dieses eintretender Mitarbeiter für seine Aufnahme keinen Einsatz zahlen muss, sondern nur die mit seinem Geschäftsbetrieb verbundenen Kosten zu tragen hat (hier: Tätigkeit des Mitarbeiters als Führungskraft im Bereich der Vermittlung von Kapitalanlagen und Versicherungsverträgen und Verantwortlichkeit für von ihm zu werbende und auszubildende weitere Mitarbeiter).
Fundstelle: OLGR Frankfurt 2000, 143-145 (red. Leitsatz und Gründe)
Ergänzende Angaben:
Aus diesem Urteil geht hervor, wo sich die Spreu vom Weizen trennt, worin sich z.B. ein legaler vom illegalen Strukturvertrieb unterscheidet.
Nr. 1. stellt dar, wann ein Strukturvertrieb progressiv ist. Es ist das typische Schneeballsystem. Die Kunden sollen Vertreiber werden. Hierfür müssen sie das Produkt erwerben und weitere Kunden in das System eingliedern, natürlich auch, um sich von der Kaufpreisschuld zu befreien.
Nr. 2 stellt einen Strukturvertrieb dar, in dem ein Vertriebspartner in das Vertriebssystem eingegliedert wird, ohne vorher ein Produkt erwerben zu müssen.
Nr. 1 und Nr. 2 stellen die Unterschiede sehr schön heraus. Im Falle der Nr. 2. wäre beispielsweise eine Firma daran interessiert, ein Vertriebssystem aufzubauen. Hierfür benötigt es ein Netz aus Vertriebspartnern. Diese erhalten die Berechtigung, Produkte der Firma zu vertreiben. Sie tun dieses auch selbständig und müssen ihre Unkosten hierfür selbst tragen. Eine völlig legale Form. Eine ehrliche Form.
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Schlagwörter: § 16 UWG, mlm, Schneeballsystem, Sittenwidrigkeit